Meine S-Bahn-Haltestelle ist ein Fehlkonstrukt. Nicht, dass sie nicht in üblicher Frankfurter DownTown-Manier gespickt wäre von Flaschensammlern, rotzenden Oberschülern, C-Klasse-Graffitis oder energetisch vor sich hinsummenden Bankern. Stattdessen wurde sie – wohl in überschäumendem
Flower-Power-Optimismus - um 100m Meter zu lang gebaut.
Was dazu führt, das mein morgiger Weg von Rolltreppenende bis Waggontür ein sportlicher ist - respektive wäre. Denn meine Bereitwilligkeit zum unfreiwilligen Frühsport gestaltet sich in letzter Zeit äußerst variabel. Schuh-variabel, um genau zu sein.
Ich weiß schon nicht, wie ein ottonormales Weibchen der Gattung Schalter-Banker den ganzen Tag auf HighHeels stehend verbringen kann und alles was über den schnellen Laufschritt in mehr als 5cm Absatzhöhe hinausgeht, ist mit ein
Rätsel.
„Barfuß oder Lackschuh?“ wohl ehe: „Sneaker oder HighHeels?“
Trage ich nämlich sneakerähnliche flachbesohlte Schuhe, nehme ich die Hüfthose in die Hand und sprinte die 100m in Rekordzeit. Trage ich IRGENDETWAS anderes (Puschen, Sandalen, Flips-Flops, Stiefel mit Mörderabsätzen), überlege ich genau 3 Sekunden, resigniere und schleiche der abfahrenden Bahn hinterher (die manchmal hämisch noch darauf wartet, bis ich auf gleicher Höhe angekommen bin, um dann abzufahren).
Die (zugegeben meist nur 3-5 Minuten) bis zur Ankunft der nächsten Bahn verbringe ich anschließende grummelnd und mir selbst ob meiner unsportlichen Unart Vorwürfe machend. Meist schiebe ich den Tram-Tran schlussendlich auf meinen niedrigen Blutdruck, der mir außer kalten Füßen manchmal eine gewisse Neigung zum Bewegungs-Fatalismus beschert.
Das war schon früher so.
Während sich beispielsweise in der Schule die restliche Kinderschar beim Volleyball die Kniescheiben blutig wummerte, machte ich höchstens einen Ausfallschritt in Richtung Ball, das musste genügen. Mittlerweile bin ich der Meinung, das ich meine
Körpergröße einzig und allein dem Umstand zu verdanken habe, dass ich mich mit 179 nicht so viel bewegen muss, wie in der 1,60-Schweineeimer-Variante.
Im übertragenen Sinn nennt man eine mangelnde Motorik-Mobilisierung poetologisch übrigens auch (fehlender) „Wallungswert“.
Schön. Wo nichts wallt, kann also nichts werden.
Mein alter Homi
G. Benn hat ganz in diesem Sinne mal behauptet, es wäre „noch nie etwas Wesentliches von Menschen mit niedrigem Blutdruck erreicht“ worden. Aber der hat ja auch lange In Hannover gelebt. Und dort gibt es schließlich auch erst seit 1990 eine
S-Bahn.